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Red Sand on the Road

Girls- and Boysday

Boys- und Girlsday 2018 „Red Sand on the road“

Aus unterschiedlichsten Gründen kann es sein, dass ein/e SchülerIn an diesem Tag keinen Praktikumsplatz findet. Und was dann?

Die Sozialpädagogen machten hier den verbliebenen SchülerInnen der 5. und 7. Klassen das Angebot, gemeinsam ein Frühstück für obdachlose Menschen vorzubereiten und diese damit vor Ort zu versorgen.  So erschienen an diesem Tag ausschließlich sechs „GIRLS“.

Das spannendste an der Aktion aber war, diese Menschen zu ihrer Geschichte zu befragen. Was für ein Leben haben sie hinter sich? Weshalb müssen oder wollen sie auf der Straße leben?

Mit Zustimmung dieser Menschen dürfen wir hier, namentlich anonymisiert und mit Fotoerlaubnis Text und Bild veröffentlichen. Die SchülerInnen konnten sich nach Ankunft in der Schule erstaunlich gut an fast jedes Detail der Interviews erinnern, denn wir machten vor Ort keine Notizen. Wir trafen fast ausschließlich Männer, auch wenn uns von diesen die eine oder andere Frau angekündigt wurde.

Diese etwas andere Bremer „Sightseeing-Tour“ mit belegten Brötchen, gekochten Eiern, Äpfeln, Kaffee,Tee durch die Stadt wollen wir wie folgt „kurz“ anhand der verschiedenen Stationen dokumentieren.

Ein Angebot der Sozialpädagogen Katja Reisberg, Lena Koop und Markus Burger

Station 1 unter den Arkaden an der Weser

Dorin K., ca. 38 Jahr;  kommt aus Rumänien, spricht kein deutsch, versteht ein wenig, lebt schon lange im Freien unter den Arkaden, denn vor einem Jahr haben wir ihn auch schon hier besucht. Sein Lager wirkt ordentlich und sauber, ein richtiges Bett, links und rechts einen Einkaufswagen mit Schildern auf denen er höflich um eine Spende bittet.

Station 2 Tunnel der von den Arkaden zum Schnoor führt

Zwei junge Männer, ca. 30 Jahre, liegen dort dick und dicht eingerollt in ihre Schlafsäcke und Decken. Einer von beiden wird wach und ist überhaupt noch nicht richtig in der Lage mit uns zu reden, freut sich dann aber doch über das Frühstück das wir für beide hinterlassen.

Station 3 Rathaus-Arkaden

Frank F., ca. 35 Jahre, ursprünglich aus dem Rheinland kommend, möchte die Nächte nicht in einer Unterbringung sein. Er sagt dort müsse er sich das Zimmer mit vier anderen teilen; oft seien diese betrunken und rotzen im Zimmer herum. Dort kann man immer nur eine Nacht verbringen und muss die Unterbringung dann verlassen. Wenn man ankommt muss man erst einmal die alte Wäsche abziehen und neue aufziehen. Manchmal sind dann auch große Blutflecken u.a. von den Vorgängern in den Betten. Also hat er sich entschlossen vorwiegend draußen zu schlafen. Wir wundern uns über sein kleines Bündel bzw. Schlafsack. Im Freien wurde er beklaut.

Er sagt er wisse, dass er etwas „mehr machen müsse“, wenn er wieder einen festen Wohnsitz und eine Arbeit bekommen wolle, allerdings sei er straffällig geworden und dies mache es nicht einfacher. Sein Ersatzausweis ist total zerschlissen, man kann kaum was erkennen.

Station 4  Rathaus Arkaden

Walter P., ca. 58 Jahre, will kein Brötchen. Er geht um 14.00 lieber zu den Suppenengeln am Hauptbahnhof. Auch am Abend. Wir treffen ihn wenig später noch einmal auf einer Bank in der belebten Lloydpassage.

Station 5  unter den Arkaden schräg gegenüber dem Rathaus

Friedrich D., ca. 72 Jahre, ehemaliger Polizist (1976 -89), ist dann selbst straffällig geworden und hat dadurch seinen Job verloren; schlug sich mit verschiedenen langjährigen Jobs durch wie z.B. Teppiche verlegen, Sanierungen etc. die er durch Bekannte vermittelt bekam, zwischenzeitlich immer mal keine Arbeit. Durch einen Autounfall während einer dieser Tätigkeiten ist er auf einem Auge blind. Er kann derzeit nicht nach Haus, da es Ärger mit seinem Nachbarn gibt. Friedrich D. freut sich über die Verpflegung. Er fängt beim Abschied an zu weinen.

Sation 6  Obernstraße

Thomas N., ca. 55 Jahre, sitz auf seinem Gehfrei in der Obernstraße, sagt von sich selbst er habe nur 17Jahre Arbeitleben hinter sich, da er ansonsten krank war. Er hat immer wieder Schwächeanfälle u.a. auch schon beim Sitzen in der Obernstraße. Dann sei der Krankenwagen gekommen. Bei seinem letzten Anfall zu Haus musste seine Wohnung aufgebrochen werden. Die Tür ist noch immer nicht repariert; nun wohnt er beim Nachbarn gegenüber. Er leidet an Krebs.

In der Obernstraße versucht er manchmal seine selbstgemalten Bilder zu verkaufen. Die Geschäftsinhaberin vom Laden gegenüber habe ihm schon drei Stück abgekauft. Er sagt alle seine Verwandten seien gestorben, nur eine Tochter lebt noch. Diese trifft er zwei Mal im Jahr. Manchmal kommt der Dom-Pastor vorbei und bringt ihm einen Kaffee.

Station 7 Sögestraße

Raimund R., ca 62 Jahre; sitzt im Rollstuhl, hat beide Beine verloren. Er hat drei erwachsene Kinder und 2008 wurde ein weiterer Sohn geboren. 2011 verlor er dann das erste Bein. Er sagt durch einen Krankenhauskeim. Raimund R. kam nach der OP nach Haus und die Wunde verheilte in der Folgezeit schlecht, aber er hat sich auch nicht so richtig darum gekümmert. Dann war es plötzlich zu spät, es ging ihm zunehmend schlechter.  Das Bein musste amputiert werden; ca. ein Jahr später dann das andere. Warum auch dies wurde uns nicht so richtig deutlich.

Er war als junger Mann lange Jahre in der Stahlverarbeitung tätig, dann wurde er Tischler, dann Selbstständig auf anderem Gebiet. Er besaß ein richtig großes Wohn- und Geschäftshaus im Bremer Viertel. Das musste er aber schon vor einigen Jahren verkaufen.

Station 8  Bahnhofsvorplatz, Haupteingang Hbf, zwischen den Losbuden der Bürgerparktombola

Ein schlafender Mensch, vielleicht eine Junge Frau ca. 20 Jahre. Unter einem Berg mit Decken und Schlafsäcken schaut ein Kopf mit Mütze hervor; daneben eine Art Koffer, davor eine kleine Blumenvase mit frischen Blumen.

Da wir sie/ihn nicht wach bekommen (trotz leiser Ansprache) hinterlegen wir etwas zu Essen.

Station 9 Hinterausgang Bahnhof

ein Mann, ca. 65 Jahre, vollbärtig, schiebt einen stark beladenen Gepäckwagen in den Bahnhof hinein. Durch das äußere Erscheinungsbild wird deutlich, dass es ihm nicht so gut geht. Deshalb sprechen wir ihn ohne Zögern an. Er scheint es eilig zu haben, nimmt aber gerne und schnell zwei Brötchen und gekochte Eier mit. Mit Obst kann er nichts anfangen.

Station 10  Hinterausgang Bahnhof

Harald Z., ca. 32 Jahre, sitzt auf einem Gehfrei, angetrunken aber freundlich und freut sich sehr über ein Frühstück.

Station 11 Hinterausgang Bahnhof

Camilla s., ca. 30 Jahre, „wir“ werden von ihr angesprochen als sie beobachtet das o.a. Harald Z. ein Frühstück von uns erhält. Sie bittet um ein Brötchen. Sie reagiert: „Gott segne euch! Eure Eltern können stolz auf euch sein. Fangt nie an zu trinken oder nehmt Drogen!“

Sie wirkt als stünde sie unter Drogeneinfluss. Man sieht auf ihrem Kopf eine Narbe die von der Stirn zum Hinterkopf reicht.

Station 12 hinterer Bahnhofseingang

Merlin J., 26 Jahre, verkauft im Umfeld des Bahnhofs die Obdachlosenzeitschrift. Er kauft sie für einen Euro und verkauft sie wieder für  2,50 Euro. Den Gewinn darf er behalten. Er erzählt uns, dass seine Mutter ihn mit 16 Jahren beim Kiffen erwischt hat und zu Haus rausgeschmissen hat. Seit dem lebt er auf der Strasse, und das sind mittlerweile 10 Jahre. Er möchte gerne bald und unbedingt etwas daran ändern.

Er freut sich sehr über das Frühstück und das Interesse, allerdings lehnt auch er den Apfel ab, da seine Zähne so kaputt sind, dass er ihn gar nicht beissen kann.

[Text/Bild: Markus Burger]